In einem Seminar werden vier didaktische Ziele anvisiert.
Die Ziele werden im Folgenden so aufgelistet, dass das Erreichen des einen eine Voraussetzung fuer das Erreichen des darauf folgenden darstellt. Das wichtigste Ziel 4 kann nur erreicht werden, wenn die anderen 3 Ziele bewältigt wurden.
Ziel 1
Lernen, wie man einen philosophischen Text liest und versteht. Das bedeutet u.a.:
- Die zentrale Aussage des Textes erkennen und formulieren.
- Das Hauptargument erkennen und formulieren.
- Die Gliederung des Textes erkennen und darstellen, d.h. z.B.:
- Teilargumente und Thesen deutlich hervorheben;
- Beispiele nennen und ihre Rolle in der Argumentation verdeutlichen;
- Grundlegende Intuitionen, die im Text verwendet werden, nennen und beschreiben.
- Die Grundannahmen (teilweise implizit) des Textes erkennen und darstellen.
Ziel 2
Lernen, wie man die unter Ziel 1 genannten Punkte darstellt, schriftlich (in einer Zusammenfassung – einem „Handzettel“) und muendlich (Vortrag). Das bedeutet u.a.:
- die unter (1) angefuehrten Punkte deutlich und klar formulieren;
- den Handzettel als Grundlage fuer den mündlichen Vortrag verwenden;
- Grundregeln der Kommunikation beim Vortrag anwenden, d.h. u.a.:
- Verständlich sein und ueberpruefen, ob die Teilnehmer/Innen folgen;
- Diskussion anregen;
- Den Standpunkt des behandelten Textes plausibel zu machen.
Ziel 3
Lernen, einen philosophischen Text kritisch zu diskutieren, d.h. z. B.:
- Intern:
- Argumentation auf interne Kohärenz und Stichhaltigkeit (Relevanz) überprüfen ;
- Darstellende Kraft der Beispiele diskutieren;
- Relevanz der Intuitionen ueberpruefen
- Extern:
- Explizite und implizite Vorraussetzungen der Argumentation ueberprüfen;
- Glaubwürdigkeit, Originalität und Tragweite der Hauptthese überprüfen (vgl. auch Ziel 4);
- Allgemeiner Nutzen des Textes: macht ein Problem deutlich, beschreibt ein Phänomen, bringt die Debatte voran, usw.
Ziel 4
Das behandelte Phänomen und seine allgemeine philosophische Relevanz erkennen und diskutieren:
- So wie es im untersuchten Text angegangen wird;
- So wie es in dem im Seminar untersuchten Diskussionszusammenhang angegangen wird;
- So wie es im allgemeinen philosophischen Zusammenhang steht, und zwar sowohl historisch wie systematisch. Dies bedeutet, sich in die Lage zu bringen, einzusehen:
- was am behandelten Phänomen eine philosophischen Behandlung erfordert, und welche die in Frage kommende philosophische Methode fuer die Behandlung des Phänomens die angemessene is;
- welche theoretische Konsequenzen eine bestimmte Behandlung des Phänomens fuer die Behandlung anderer Phaenomene mit sich bringt (= verstehen, wie sich die Struktur philosophischer Theorien bildet).
Allgemeine Bemerkungen
Ein zentrales Anliegen der Philosophie besteht darin, komplexe Zusammenhaenge klar, genau, und so einfach wie moeglich darzustellen. In dieser Hinsicht bietet die Philosophie eine Lehre, die einen allgemeinen intellektuellen Wert besitzt.
Die eigentliche philosophische Arbeit beginnt erst bei 4. Die vorhergehenden Punkte betreffen eher die philosophische Vorarbeit.
Ob im Seminar das vierte Ziel erreicht werden kann hängt von den Teilnehmer/Innen ab.